29.03.2020 Pfr. i.R. Taegert: Judika - „Beethoven-Gottesdienst“

Predigt Judika 29.03.2020  Hebr. 13, 12-14

Musik, Bild mit Lainecker Kreuz

 

Musik: Beethoven Equale 1 für vier Posaunen 

Votum: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“, so sagt Jesus im Matthäus-Evangelium Kap. 20 (28).

Als einen Dienst für uns Menschen – so stellt Jesus hier seinen Leidensweg dar, im Wochenspruch für diesen heutigen Sonntag, eine Woche, bevor wir Jesus dann, in der dies Jahr sehr stillen Heiligen Woche, auf seinem Kreuzweg über Karfreitag hin zum Osterfest begleiten. Jesus will unsere Erlösung. Sein Dienst dient unserm Menschenrecht. – „Schaffe mir Recht, Gott“, lateinisch „judika me“, so betet auch der alte Psalm, nach dem dieser heutige Sonntag „Judika“ seinen Namen hat.

Momentan sind uns ja viele grundlegende Rechte beschnitten, die Versammlungsfreiheit: Wir dürfen uns hier in der kleinen Kirche von Laineck nicht zum gemeinsamen Gottesdienst versammeln, die Religionsfreiheit: wir dürfen unsere Religion hier nicht gemeinsam bekennen. Wir akzeptieren das, weil die Coronakrise uns auf der ganzen Welt vor neue Verhältnisse stellt. Wir fühlen uns dabei solidarisch mit den vielen Betroffenen auf unserer Welt, denen, die unmittelbar krank oder gar vom Tode bedroht sind, aber auch denen, die unter den Folgen als Berufstätige oder Schüler leiden, – solidarisch auch gegenüber den vielen, die jetzt helfend tätig sind.

Das Leiden soll beklagt werden dürfen. Aber es soll nicht das letzte Wort behalten. Wir sollen einmal auch wieder aufatmen können. So beginnen wir diesen GD im Namen ... Der Herr sei …

Bild 1 von Beethovens Beerdigungszug

 

Eine ganz besondere Musik stand heute am Anfang. Geschrieben von Ludwig van Beethoven, für Trauertage wie Allerheiligen, für vier tiefe Stimmen. Wir hörten das erste seiner drei Equale. Equale bedeutet: komponiert für gleiche Instrumente, gemeint sind hier vier Posaunen. Damit sind wir bei dem besonderen Hintergrund, den ich mir für diesen heutigen Tag gewählt habe. Wir sind ja im Beethovenjahr. An diesem heutigen 29. März ist Ludwig van Beethoven in Wien seinerzeit beerdigt worden, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Ich habe mir gedacht, es tut uns vielleicht in dieser Coronakrise gut, wenn wir nicht immer nur von uns selbst und der Coronakrise reden müssen, sondern wenn wir einmal hinschauen können, zu Menschen, die auch mit tiefgreifenden Krisen umgehen mussten. Denn auch bei einem so glanzvollen Star wie Beethoven ist das die andere Seite; darüber denkt man selten nach: das Leben mit der Krise, vor allem gesundheitlich. Beethoven hat praktisch ein ganzes Leben lang mit dieser Krise leben müssen. Wie geht er damit um? War er religiös, war er Christ? Können wir als Christen etwas von ihm lernen?

Es gibt ein eindrucksvolles Aquarell-Bild; es zeigt Beethovens Beerdigungszug. Ein Großereignis in Wien an diesem 29. März 1827. Da sieht man 20.000 trauernde Menschen auf einem großen Platz vor Beethovens letzter Wohnung, sie sind in Kutschen, zu Pferd oder zu Fuß gekommen. Aus ihrer Mitte formt sich ein endloser Trauerzug. Voran schreiten da, gleich hinter dem Vortragekreuz, vier schwarz gekleidete Herren mit Gehrock und Zylinder; sie haben Posaunen in den Händen. Zu ihrem langsamen Schreiten blasen sie diese Equale als Trauermusik.

Jedes dieser drei Stücke beschreibt, wenn man mal genauer hineinhorcht, einen nachdenkenswerten innerlichen Schritt bei unserer Trauer: Im ersten Equale (das auch heute am Anfang erklang) hörten wir die letzten Atemzüge eines Menschen, ein schmerzhaftes Aufseufzen, das einmündet in eine tiefe Ergebung in Gottes Willen. Dann im zweiten Equale dann ein sanftes Hinübergehen, das an Beethovens 4. Symphonie Pastorale erinnert. Und im dritten erklingen die Posaunen, von denen die Bibel an verschiedenen Stellen redet: bei Paulus, im Matthäusevangelium und in der Offenbarung des Johannes: Sie blasen einmal zum Jüngsten Gericht, um die Auserwählten von den vier Enden von Welt und Himmel zu sammeln (Matthäus 24,31); dann, um die Toten aus den Gräbern zu rufen (1. Kor. 15, 52), und schließlich, um das Ende der Herrschaft des Antichrist zu verkündigen und die Gläubigen zur Hoffnung aufzurufen. (Offenb. 8). Mit dieser Musik zeigt Beethoven, dass er als katholisch getaufter Christ ganz im Glauben seiner Kirche ruht und dass er in diesem Glauben auch bestattet wurde.

Hören wir jetzt das zweite Equale, welches dieses Hinübergehen beschreibt. Normalerweise würden wir diese Stücke hier jetzt mit unserm Frankenpfalz-Tiefbrass-Quartett selber spielen, wie wir das an gleicher Stelle schon einmal vor 5 Wochen getan haben. Vielleicht können wir das später mal nachholen. 

- - - Musik: Beethoven, zweites Equale - - -

Die Erfahrung mit Beethovens Musik möchte ich nun in Beziehung bringen zum Predigttext, der in diesem Jahr nach unserer evang. Ordnung der Predigttexte am heutigen Sonntag dran ist. Damit will ich dann auch Beethovens Leben vergleichen: Aus dem Brief an die Hebräer im Kap. 13, 12-14:

„Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Hören wir diesen kurzen Text zum Einprägen noch einmal: …  // Der Herr segne unser Reden und Hören durch die Kraft seines Hl. Geistes. Amen.

Bild 2 Cäsar und Kleopatra, aus Chrismon

 

Liebe Hörerinnen und Hörer, mich beschäftigt hier vor allem dieses Wort: „draußen“. Jesus hat gelitten draußen vor dem Tor; und noch einmal: So lasst uns nun zu ihm hinausgehen. Wieso draußen? „Draußen“ – das war ja für diese Judenchristen der zweiten Generation im Hebräerbrief eine ganz schlimme Erfahrung: Bis dahin sah sich die Urchristenheit als Teil des jüdischen Gottesvolkes, eine Gruppe innerhalb des Judentums. Dadurch lebten sie auch in einem gewissen Schutzraum. Diesen Schutzraum konnte das Judentum damals im römischen Reich seinen Gläubigen bieten, über mehr als 100 Jahre hinweg, nämlich seit Cäsar bei seinem Abenteuer mit Kleopatra in Ägypten bei den feindseligen Alexandrinern in eine lebensgefährliche Klemme geraten war; da hatten ihn jüdische Heerführer herausgehauen. Seitdem hatte das Judentum bei den Römern einen Stein im Brett, es war eine „erlaubte Religion“. Juden mussten nicht am heidnischen Kaiserkult teilnehmen, und die Christen der ersten Generation, die als Juden galten, demzufolge auch nicht.

Bild 3:

Zerstörung Jerusalems

 

Aber dann, gut 100 Jahre nach dieser Hilfe für Cäsar in Ägypten und etwa 40 Jahre nach dem Tode Jesu, hatten die Juden die christlichen Gemeinden aus ihrem Verband der Synagogen hinausgeworfen, das war nach dem Jahr 70 n. Chr., nach dem Aufstand der Juden gegen die Römer, und nachdem ihr Tempel zerstört war. Seitdem grenzten sie sich schärfer von den Christen ab. Sie setzten sie sozusagen vor die Tür. Das ist dieses „Draußen“ hier in unserm Text.

Bild 4 Stiftshütte Wüsten­wanderung

 

Wenn der Hebräerbrief hier also sagt: Lasst uns nun zu Jesus hinausgehen aus dem Lager, dann meint er mit Lager diesen jüdischen Synagogenverband, der die Christen bisher geschützt hat. Der Text vergleicht die Synagogen symbolisch mit dem Lager des Volkes Israel bei den 40 Jahre Wüstenwanderung, nach der Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten. In diesem Lager hatte man eine gewisse Geborgenheit, eine gemeinsame Führung auf einem gemeinschaftlichen Weg, einen gemeinsamen Gottesdienst, die gemeinschaftliche Deckung des Lebensunterhalts. Aus dem Lager hinausgeworfen zu werden, heißt bei so einer Wanderung: der todbringenden Wüste preisgegeben zu sein. Aber auch Jesus war ja schon quasi hinausgeworfen worden. Die eigenen religiösen Führer haben ihn der Gotteslästerung bezichtigt; beim römischen Staat haben sie ihn als Aufrührer angezeigt. Und der willfährige römische Statthalter hat ihn verurteilt. Jesus starb draußen, in jeder Beziehung, vor den Toren Jerusalems, am Kreuz, verstoßen von den Führern seines Volkes. Daran will der Hebräerbrief die Christen hier erinnern.

Er will deshalb, dass auch die Christen ganz bewusst hinausgehen, um bei ihrem Herrn Jesus zu sein, draußen. Sie sollen den Schutzraum verlassen – um die zu verstehen und zu finden, die da draußen sind.

- - - [Osterkerze anzünden] - - -

Und damit sind wir bei Beethoven. Er ist für mich ein Prototyp für einen, der menschlich „draußen“ ist. Das mutet seltsam an, wenn man bedenkt: Ein so viel umjubelter Star. Aber das war ja auch bei Jesus nicht anders: „Hosianna dem Sohne Davids!“, Jesus Christ superstar, der Jubel bei seinem Kommen in Jerusalem, aber dann ein paar Tage später die Passion: Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Bild 5:

Beethoven als Kind 1783, Gemälde

 

Diese Verlassenheit, diese Einsamkeit erlebt auch Beethoven immer wieder, und zwar in ganz erschreckender Weise. Die Liste seiner Traumata und Krankheiten war ja ellenlang. Schon seit in seiner Kindheit: Sein Vater, ein Sänger, der seinen Sohn mit Gewalt zu einem Wunderkind machen will. Den erst 4-jährigen zerrt er nachts aus dem Bett und zwingt ihn zum Klavierspiel. Der Sohn soll ein zweiter Mozart werden. Dabei schreckt der Vater nicht vor Schlägen zurück. Auch ist er wohl alkoholkrank gewesen sein und dadurch des Öfteren hemmungslos. Die Polizei ist manchmal deswegen im Haus, dem Sohn ist das peinlich.

Bild 6:

Beethoven am Klavier

 

Schon mit 6 Jahren zeigt sich zudem beim jungen Beethoven ein tückisches chronisches Ohrenleiden, durch eine nicht ausgeheilte Mittelohrentzündung. Als er 16 ist, stirbt die heißgeliebte Mutter; durch ihre warmherzige Art war sie der Gegenpol zum tyrannischen Vater. Als Beethoven die Nachricht von ihrer tödlichen Erkrankung hört, bricht er sofort einen Studienaufenthalt in Wien ab; er wollte jetzt eigentlich Schüler beim 14 Jahre älteren Mozart werden. Noch weitere 6 Jahre ist der Vater sein dunkler Schatten. Erst nach dessen Tod wagt Beethoven einen erneuten Anlauf in Wien, übrigens auf Vorschlag des gerade durchreisenden Josef Haydn. Endlich ein selbstverwirklichtes Leben! Jetzt ist er 22; also eigentlich ziemlich spät; erst jetzt beginnt Beethovens Laufbahn als Pianist und Komponist.

Bild Zeichnung 7:

Beethoven mit Hörrohren

 

Doch das wird nun praktisch von Anfang an überschattet durch das für ihn Allerschlimmste, die immer weiter voranschreitende Taubheit. Schon bald muss er deswegen seine Pianistenlaufbahn wieder aufgeben. Und privat – verkriecht er sich immer mehr in sich selbst. Er war zwar immer ein großer Frauenversteher, und er hatte auch viele Verehrerinnen im gehobenen Bürgertum. Aber er hat z.B. nie geheiratet. Wahrscheinlich stand er sich da in seiner ungehobelten Art auch selbst im Wege.

Viele beschreiben ja Beethoven als eine ganz derbe Person, häufig übellaunig und jähzornig, oft auch schlampig gekleidet. Und: Über seine vielen sonstigen Leiden hinaus muss man leider sagen, er war auch alkoholkrank, wie sein Vater. Literweise trank er Weißwein, einen ganz billigen, der war schlimmerweise auch noch mit Blei versetzt. Wie bei den alten Römern: Rebensaft mit Bleioxid vermischt soll dem Wein die Säure nehmen und ihn süßer und farbintensiver machen. Bei der Autopsie von Beethovens Leichnam fand man so viel Blei, wie dahin noch bei keinem Menschen!

Bild 8a, Scan: Beethovens Heiligenstädter Testament

 

Die Leute damals lieben Beethoven, wegen seiner Musik, ja, dafür himmeln sie ihn geradezu an. Aber sie begreifen ihn nicht als Person. In dieser Hinsicht ist Beethoven tatsächlich ganz weit draußen. Es existiert ein Schriftstück aus seiner Feder, daher wissen wir von seiner Einsamkeit: sein so genanntes Heiligenstädter Testament, mit eigener Feder geschrieben bei einem Kuraufenthalt in Heiligenstadt bei Wien [am 6. und 10. Oktober 1802], da war er gerade 32 Jahre alt. Auf diese Kur hatte Beethoven vergebliche Hoffnung gesetzt. Die vier großen handgeschriebenen Seiten waren eigentlich für seine beiden Brüder bestimmt, aber Beethoven hat sie nie abgesandt. Die Blätter tauchten erst in seinem Nachlass auf.

Beethoven beginnt auf diesen Blättern so: „O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet, wie Unrecht tut ihr mir, ihr wisst nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheint.“

Wenn er hier über sein größtes Leiden, die Taubheit, klagt, dann klagt er aber nicht Gott an. Er kritisiert vielmehr die Menschen, wir würden heute sagen: die Gesellschaft. Denn die ist es, die das Drinnen und Draußen verursacht. Sie beurteilt den Menschen nur von außen: der ist störrisch, der ist menschenfeindlich. Sie fragt nicht nach den Ursachen.

Bild 9:

Beethoven-Bild Hartlapp-Lindemeyer

 

Natürlich ist auch die andere Seite zu bedenken: Beethoven selbst wagt seinerseits nicht, sich der Gesellschaft zu offenbaren. Besorgt und ängstlich will er seine Taubheit hüten wie ein unaussprechliches Geheimnis. Dass ein so großer Musiker in Wahrheit keinen Ton hören kann, das ist ihm peinlich. Dabei sieht er sich selbst eigentlich als temperamentvolle rheinische Frohnatur; er würde gern feiern und sich angeregt unterhalten; aber seine Taubheit blockiert ihn. Er empfindet es als demütigend, wenn er sich vorstellt, jemand stünde neben ihm, der würde von weitem eine Flöte hören, aber Beethoven könnte nichts hören, oder wenn jemand den Hirten singen hörte und er wiederum hörte nichts.

Beethoven ist so verzweifelt, dass er schon zweimal an Selbstmord gedacht hat, so bekennt er. Aber zweierlei hätte ihn vom Suicid abgehalten: Einmal die Kunst der Musik selber; der Gedanke wäre ihm unmöglich gewesen, die Welt zu verlassen, ehe er nicht alles hervorgebracht hätte, wozu er die Gaben in sich gespürt hatte. Und zum anderen habe ihm die „Tugend“ geholfen, wie er das nennt. Mit Tugend meint ert die christliche Ethik und Moral in der Gesellschaft: Sie verbietet ja traditionell einem Christen eigentlich den Suicid. Erst in unserer Gegenwart verkündet uns hier ja das Bundesverfassungsgericht nun ganz andere Maßstäbe: der Mensch entscheidet allein; es setzt damit sozusagen diese allgemeine Moral außer Kraft. Dagegen hat Beethoven gerade die christliche Moral in solcher Verzweiflung als große Hilfe empfunden. Sie trägt einen Menschen auch in seinen dunkelsten Stunden, so empfand er es.

An dieser Stelle erkennen wir deutlich die Konturen Beethovens als eines in Wahrheit religiösen Menschen, auch wenn er das hier sozusagen wie ein Geheimnis ängstlich hütet: Die Musik gehört für ihn zu den Gaben, die Gott uns Menschen anvertraut hat. Wir sollen sie nicht vergraben, sondern mit ihnen wuchern.

Die Musik dient bei Beethoven dem Lob des Schöpfergottes; und mit diesem Lob wagt er sich dann auch ein Jahr nach diesem moralischen Tiefpunkt wieder in die Gesellschaft, mit seinem berühmtesten Lied: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, der Schall pflanzt seinen Namen fort“. Gott und der Lobpreis der Musik, das sind für ihn wunderbare Lebenskräfte. Sie geben auch so einem gefährdeten Musikerleben Stabilität.

So kann Beethoven überraschenderweise mitten in diesem verzweifelten Testament auch ein warmherziges Gebet sprechen und sagen: „Gott, du siehst herab auf mein Inneres, du kennst es, du weißt, dass die Liebe zu den Menschen und die Neigung, ihnen wohlzutun, in diesem Inneren hausen.“

Schade eigentlich, dass Beethoven dieses Bekenntnis zeit seines Lebens für sich behalten hat. Denn wenn man das Gefühl hat, außerhalb der Gesellschaft zu stehen, ist es wichtig, sich für die anderen verständlich zu machen und sich zu öffnen. Aber meist fehlt dem, der sich so einsam fühlt, dazu der Mut oder die Kraft. Dann ist es Sache derer, die drinnen sind, dass sie Schritte zu solch einsamen Menschen hin tun. Wir sollen als Christen immer wieder bereit sein, unser kuscheliches und angepasstes Lager in der Gesellschaft zu verlassen. Denn dort bei den Einsamen da draußen, so sagt uns die Bibel, dort finden wir Christus: dort bei denen, die unter ihrer Verzweiflung leiden, bei denen, die sprachlos geworden sind, und natürlich auch bei denen die hungern und dürsten, nach Gerechtigkeit oder nach Brot, die fremd oder gefangen sind, die zu den geringsten Brüdern Jesu gehören, dort finden wir Christus.

Beethoven hat ja nur wenige Werke geschrieben, wo er diese seine geheime religiöse Seite zeigt, die Missa solemnis z.B., die er für sein bestes Werk gehalten hat. Ein Werk hat mich aber besonders beschäftigt und beeindruckt, man kann das auch auf youtube hören: sein Oratorium „Christus am Ölberg“. Er vertont die biblische Szene, wie Jesus mit dem Vater ringt, vor der Gefangennahme, im Garten von Gethsemane.

Bild 9:

Oratorium Christus am Ölberg Theater Bonn

 

Das Werk ist genau zur selben Zeit geschrieben, wie Beethovens erschütterndes Heiligenstädter Testament (1802/03). Man kann hier Beethovens eigenen Glauben direkt studieren: Den Jesus singt hier nicht ein ruhiger Bass, wie in den Passionsmusiken von Joh. Seb. Bach, sondern ein leidenschaftlicher Tenor: Gott möge den Kelch an ihm vorübergehen lassen, fleht Jesus. Man hört, wie er mit Gott ringt. Meine Seele ist erschüttert von den Qualen, die mir dräu’n; Schrecken fasst mich“. Aber er schleudert Gott nicht seine zornige Verachtung ins Gesicht, wie Prometheus es tut. Er legt sein Geschick vielmehr ganz in Gottes Hand: „Deiner Macht ist Alles möglich!“ Widerstand und Ergebung, wie Dietrich Bonhoeffer. Er ergibt sich im Glauben an die Auferstehung in Gottes Willen; er nimmt sein Leiden als persönliche Aufgabe an.

Hier sehe ich Beethoven unterwegs mit uns, wieder mit den Worten des Hebräerbriefes: Denn auch wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die Zukünftige suchen wir. Auch wir sind unterwegs, durch das Kreuz ins Leben. Amen.

- Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

FÜRBITTEN

- Lasst uns beten: So werden uns, gütiger Vater, der Tod und die Auferstehung deines Sohnes gegenwärtig. Er hat uns gedient und sein Leben für uns gegeben. - Durch ihn bitten wir dich:

Lass uns jetzt in geschwisterlicher Liebe füreinander da sein; lass uns für alle, die Hilfe brauchen, ein offenes Herz haben. Gib den Mächtigen auf unserer Welt den Willen und die Einsicht, mit den ihnen anvertrauten Menschen fürsorglich und gerecht umzugehen, um sie gegen Krankheit und Unrecht zu schützen und lass uns auch gemeinsam die Schöpfung bewahren.

Hilf, das Menschen in dienenden Berufen, wie Heimen, Krankenhäusern, Handel oder Polizei, nicht überfordert werden, sondern auch Zeit für sich selbst und ihre Anbefohlenen finden.

Gib uns Kraft, um mit Krankheiten und dem Älterwerden umzugehen, und lass auch unsere Verstorbenen im Licht deiner Liebe geborgen sein.

Gütiger Gott, deine Macht ist die Macht der Liebe. Dieser Liebe vertrauen wir; deinem Sohn Jesus Christus folgen wir. Durch ihn loben wir dich, durch ihn beten wir dich an, durch ihn danken wir dir in deiner Kirche, und heute und jeden Tag, in alle Ewigkeit. – Gebetsstille -.

Alles, was uns auf dem Herzen liegt, fassen wir in dem Gebet zusammen, das Jesus uns gegeben hat:

Vater unser, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld. Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Musik, dazu Bild 10 mit Frankenpfalz-Tiefbrass­quartett vor Lainecker Kreuz

 

- Und es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, der + Vater der Sohn und der Hl. Geist.

Zum Ausklang hören wir Beethovens drittes Drittes Equale. Es erklingen hier diePosaunen des Neuen Testamentes; sie rufen die Auserwählten von den vier Enden von Welt und der Himmel zur Hoffnung auf und verkünden das Ende aller schöpfungsfeindlichen Mächte.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine getroste Woche.

 

Musik: Beethoven, Drittes Equale

 

Jürgen Taegert
Kirchenpingarten / Laineck 29-03-20