14.08.2011 Pfr. Lindner & Herbert Steininger: Sportplatz-Kerwa

Predigt zum Thema: gewinnen und verlieren


Dialog zwischen Herbert Steininger, Sportreporter und Gottfried Lindner, Pfarrer

Liebe Gemeinde! Heute geht es um ein scheinbar weltliches Thema: gewinnen und verlieren. Doch sicher wird jetzt im Verlauf dieser Dialog-Predigt deutlich werden, dass dieses Thema auch eine geistliche Dimension hat.
Gewinnen wollen wir alle und zwar möglichst oft. Niemand verliert gerne. Schon gar nicht wollen wir zu den Dauerverlierern gehören, die bei den jungen Leuten gerne "Loser" genannt werden. Auf Loser schauen wir herab, das sind die Versager.
Bei Wettbewerben und Sportveranstaltungen bejubeln wir gerne die Gewinner. Verlierern kann es passieren, dass sie ausgepfiffen werden.
Dabei gehört das Gewinnen und Verlieren zu unserem Leben dazu. Mal sind wir Gewinner, mal Verlierer. Und oft sind wir mehr Verlierer als Gewinner. Im Grunde ist nicht das Gewinnen das Normale. Denn es kann ja immer nur einer gewinnen. Das Gewinnen ist also die Ausnahme. Das Normale ist, nicht ganz vorne zu stehen.
Besonders deutlich wird das Thema Sieg und Niederlage im Sport. Deshalb befrage ich gleich einmal unseren Sportreporter, der ja diese Sportberichte verfasst.

Warum wird in den Sportberichten das Gewinnen so stark hervorgehoben und das Verlieren nach meinem Empfinden zu negativ dargestellt? Schließlich gehört das Verlieren doch einfach dazu? Genervt war ich, als ich gestern einen Artikel über den Nationalmannschafts-Abschied von Birgit Prinz las mit der Schlagzeile: "Super Zeit, aber suboptimales Ende". Da wird eine Frau durch Fußball weltberühmt, spielt in 214 Länderspielen mit und schießt dort 128 Tore. Und nur weil sie mit ihrer Mannschaft bei der Weltmeisterschaft nicht über das Achtelfinale hinauskam, spricht sie von suboptimalem Ende. Wo sind wir denn eigentlich? Wäre da nicht etwas mehr Demut und Dankbarkeit gefragt?

Menschen scheinen sich tatsächlich stärker mit den Siegern zu identifizieren, weil sie selber gerne Sieger wären. Verlierer sind eben nicht gefragt, weil keiner gerne verliert. Und darum ist offenbar der FC Bayern München so beliebt, weil der das Sieger-Gen scheinbar in sich trägt. Gleiches gilt auch für die Frauenfußball-Nationalmannschaft. Aber diese musste genauso wie zuletzt der FC Bayern feststellen, dass es auch einmal anders herum gehen kann. Und dann kommt es darauf an, wie man mit diesen unverhofften Niederlagen umgeht. Da zeigt sich die wahre Charakterstärke.

Allerdings lese ich immer wieder von Verlierern, die Beachtung finden, z.B. wenn gekämpft wurde und man doch verlor, oder wenn es Fehlurteile des Schiedsrichters gab, z.B. 1966 bei dem legendären Tor im Endspiel Deutschland gegen England, das nicht anerkannt wurde.

Natürlich kann man in Sportberichten ein ungerechtes oder unglückliches Verlieren wie einen Sieg auslegen. Ich habe in meinen langen Jahren als Sportreporter und in vielen Gesprächen mit Trainern und Aktiven eines feststellen dürfen: man kann verlieren, es kommt aber immer auf das Wie an. Wenn unsere Mannschaft alles gegeben hat, die andere aber besser war, muss man dies akzeptieren und dem Gegner - wie ich so gerne sage - zum Sieg gratulieren. Wenn mir das selbst passiert, habe ich aber dabei immer eines im Hinterkopf: das nächste Mal wirst Du es schwerer haben. Sagen würde ich das allerdings nie. Noch mehr als beim Siegen ist beim Verlieren der Charakter gefragt. Wie sich beispielsweise unser Bayreuther Tennisprofi Philipp Petzschner bei seinem Aus am Rothenbaum in Hamburg verhalten hat, lässt darauf schließen, dass es da noch ein wenig hakt. Da ist ihm offenbar der vorherige Erfolg - immerhin war er ja 2010 Wimbledonsieger im Doppel - zu sehr zu Kopf gestiegen.

Für manche Sportler ist das scheinbare Verlieren ein Gewinnen. Denken wir an den Satz: "Hauptsache dabei sein!" Wenn es jemand schafft, an einer Olympiade teilzunehmen, dann ist das doch eigentlich ein Sieg, auch wenn da keine Medaille herausspringt, vielleicht auch nur ein letzter Platz. Doch das interessiert die Presse wenig - oder nur dann, wenn man es spektakulär verkaufen kann.

Die Presse lebt eben von den besonderen Stories und von Erfolgsgeschichten. Wenn nicht Erfolg, dann muss zumindest etwas Nennenswertes geschehen sein, was den Leser anzieht, ihn dazu bringt, eben diese Geschichte zu lesen. So können auch in der Presse Verlierer durchaus wie Sieger dastehen. So geschehen damals bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. An den Sieger im ersten Frauen-Marathon der olympischen Geschichte erinnert sich keiner mehr, aber sehr wohl noch an die Schweizerin Gabriele Anderson-Schiess, die völlig verausgabt ins Ziel getorkelt ist. Die Bilder hat sicherlich noch jeder Sportbegeisterte im Kopf, und sie waren ein Fressen für die Presse und die anderen Medien. Ach ja, die Siegerin hieß damals Joan Benoit und kam aus den USA.

In der Bibel scheinen die Sieger auch recht wichtig zu sein. Ich denke nur an die Aussage von Paulus im Korintherbrief (1. Kor. 9,24): "Ihr wisst doch, dass an einem Wettkampf viele teilnehmen, aber nur einer kann gewinnen. Darum lauft so, dass ihr den Kampf gewinnt." Oder die andere Aussage von Johannes (1. Joh.5,4): "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat."

Zunächst hat die Bibel, was menschlichen Erfolg und Sieg angeht, eine geistliche Sicht. Sie sieht alle Fähigkeiten als Gaben Gottes. So heißt es z.B. in Psalm 139: "Gott, ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke." Wenn nun ein Sportler eine Höchstleistung bringt, dann ist das zwar einerseits ein Erfolg seines Trainings, aber es ist andererseits auch immer eine Gabe Gottes. Denn hätte ihm Gott nicht die körperlichen Voraussetzungen in die Wiege gelegt, hätte er ihm nicht Menschen an die Seite gestellt, die ihn gefördert haben, wäre sein Sieg nicht möglich gewesen. Sieger mit dieser geistlichen Haltung danken Gott, wenn ihnen ein großer Erfolg gelingt.

Der Sieg ist dann nicht mehr mein erhabener Sieg, sondern er ist ein Sieg, der mir von Gott zuteil wird. Diese Sichtweise bewahrt den Sieger vor Hochmut und Selbstherrlichkeit. In dieser geistlichen Haltung zeigt der Sportler Demut.

Auch ein Verlierer darf seine Niederlage aus der Hand Gottes nehmen. Er findet dadurch die Kraft, als fairer Verlierer abzutreten.

Nun zu Paulus:
Dass nun Menschen siegen wollen und sich anstrengen, Höchstleistungen zu bringen, liegt in unserer Natur. Das ist durchaus im Sinn des Schöpfers, dass wir gut sein wollen und unsere Gaben und Fähigkeiten verbessern wollen. Auch der Wettkampf und das Messen an anderen helfen dazu, uns zu steigern und besondere Leistungen zu bringen. Selbst Jesus hat zu seiner Zeit versucht, sein Bestes zu geben. Deshalb kamen auch so viele Menschen zu ihm. "Ohne Fleiß kein Preis", sagt das Sprichwort.
Wenn nun Paulus das Christsein mit einem Wettkampf vergleicht, dann hat er Folgendes beobachtet:

Als Menschen setzen wir uns gerne für einen beruflichen oder sportlichen Erfolg ein. Wir geben alles und ziehen alle Register. Doch aus seiner Sicht sind das alles weltliche Dinge, die eines Tages vergehen. Und der Sport ist letztlich doch nur ein Spiel.

Er ist nun der Meinung: wenn wir uns bei diesen vergänglichen Dingen so stark engagieren, wie viel mehr sollten wir es bei den geistlichen und bleibenden Dingen tun. Wenn er nun sagt: "Ihr wisst doch, dass an einem Wettkampf viele teilnehmen, aber nur einer gewinnen kann. Darum lauft so, dass ihr den Kampf gewinnt."" - dann meint er damit den Einsatz für den Glauben.

Der Kampf für den Glauben und für Gott sollte uns wichtiger sein als der Einsatz für andere Dinge. Wenn es um den Glauben geht, sollten wir wirklich alles geben, ja die letzten Reserven mobilisieren. Denn es geht ja hier nicht um einen kleinen Preis, um einen Erfolg oder eine Anerkennung. Es geht hier wirklich um alles, nämlich um das Leben mit Gott. Es geht hier um unsere Ewigkeit.

Mit dem Sieg, das verstehe ich, es geht um den geistlichen Sieg, um das ewige Leben bei Gott. Doch wie geht die Bibel mit den Niederlagen um? Was meint Jesus, wenn er sagt: "Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten die Ersten"? Dreht er das menschliche System einfach um und macht aus allen Siegern Verlierer und allen Verlierern gibt er die Chance, Sieger zu sein?

Nein, Jesus will nicht das weltliche System ändern. Keine Angst, dass die Medaillen im Himmel aberkannt werden. Es geht ihm vielmehr darum, den Menschen eine Hoffnung, eine einzigartige Hoffnung zu geben.

Wir alle wissen, dass wir eines Tages verlieren. Ganz egal, wie viele Siege wir eingefahren haben, wie viele Erfolge wir auf unser Konto buchen konnten, am Ende befinden wir uns alle auf der Verliererstraße. Wir verlieren unser Leben und damit alles, was uns ausmacht. "Gekämpft und doch verloren" steht manches Mal auf einer Sterbeanzeige. Das ist unsere Situation: das Verlieren und Unterliegen am Ende unseres Lebens ist unsere Wirklichkeit.

Auch Jesus hat das erfahren müssen. Am Ende, als er ans Kreuz genagelt wurde, war er der Verlierer, der Loser, der Verlorene. Er war nach weltlichen Gesichtpunkten der Letzte. Doch sein Vater im Himmel hat ihn zum Ersten gemacht. Er hat ihn aus dem Tod geholt. Der Verlierer wurde zum Sieger.

Das ist die christliche Hoffnung: auch wenn wir alle irgendwann zu den Verlierern gehören, dann gibt uns doch der Glaube den Sieg. Wir hoffen, dass wir leben werden und unser Leben mit ewigem Leben gekrönt wird. "Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." (1. Johannes 5,4).

Der christliche Glaube macht also einen Ausgleich möglich: Siegern hilft er zur Demut und zur Dankbarkeit an Gott und Verlieren gibt er Hoffnung und Kraft.

Ja, ich würde sogar im Sinne von Paulus noch weiter gehen. Christen können von Sportlern lernen, wie man sich einsetzt und kämpft - im Leben und im Glauben. Und Sportlern hilft der Glaube zur Demut und zur Dankbarkeit. Vor allem zeigt der Glaube ihnen, dass es mehr und wichtigeres gibt als den Sport.
Amen.